Kinderlähmung - Polyomyelitis
Abgekürzt wird die Erkrankung oft Polio genannt. Sie zählt zu den Kinderkrankheiten, die hochgradig ansteckend sind und wird durch Viren übertragen. Ziel der Weltgesundheitsorganisation ist die Ausrottung der Erkrankung durch die Schluckimpfung. Seit 1990 gibt es in Deutschland keine Erkrankungen mehr, lediglich ein Import aus Afrika (Subsahara und Cap Horn) sowie Asien (Südostasien, besonders Indien), beispielsweise nach einer Urlaubsreise, ist möglich.
Symptomatik, Übertragungswege
Die Erkrankung wird durch die Polioviren der Gattung Enterovirus (3 verschiedene Typen) hervorgerufen. Eine Infektion mit einem Typus schützt nicht vor einer Infektion mit einem der beiden anderen Typen. Bei nicht geimpften Patienten können die Nervenzellen des Rückenmarkes befallen sein, die die Muskeln steuern. Dadurch kommt es zu bleibenden Lähmungserscheinungen bis hin zum Tod. Heutzutage verläuft die Erkrankung meist unkompliziert in Form von Durchfall. Meist sind Kinder zwischen dem 3. und dem 8. Lebensjahr betroffen, manchmal auch Erwachsene. Gegen diese Viruserkrankung gibt es keine medikamentöse Therapie. Weltweit erkranken Menschen an Polio, außer in den Polargebieten. Da aber konsequent geimpft wird, findet man Polio heute nur noch in Afrika und Asien.
Besonders verbreitet ist das Virus dort, wo ungünstige hygienische Bedingungen herrschen, zum Beispiel durch fäkal-orale Schmier- oder Kontaktinfektion (unsaubere Hände oder Gegenstände und Aufnahme über den Verdauungstrakt). Auch eine Tröpfcheninfektion ist möglich, wobei die Inkubationszeit zwischen insgesamt 3 und 35 Tagen betragen kann, je nach Übertragungsweg.
Wurde das Virus über den Mund aufgenommen, vermehrt es sich dann im Darm. Grippeähnliche Symptome mit Fieber treten auf. Das Virus befällt erst einmal kleine lokale Lymphknoten, vermehrt sich und verbreitet sich weiter über die Blutbahn. Bei etwa 10 Prozent der vom Virus befallenen Patienten kommt es zu diesem schweren Verlauf: Weiter gelangt es in die Nervenzellen im Rückenmark, die Muskeln steuern. Körpereigene Abwehrzellen treten ins Rückenmark ein und führen zu einer Entzündung der Nervenzellen, wobei diese zerstört werden. Eine Woche lang haben die Patienten kein Fieber mehr, es kommt aber zur gefürchteten Hirnhautentzündung, wobei Kopfschmerzen und ein steifer Nacken auftreten. Das Fieber steigt wieder an auf bis zu 39 °C.
Die folgenden Lähmungserscheinungen treten vorwiegend als Erschlaffung der Beine auf bei erhaltenem Sinn für Berührung. Da das Gehirn, besonders im Kleinhirn-, Brücken- und Markbereich betroffen ist, gehen auch hier Nervenzellen unter.
Dadurch können Sprechen und Atmen (beides Kehlkopffunktionen) oder auch Schlucken beeinträchtigt werden. Diese Lähmung treten rasch nach dem Nervensystembefall auf. Dehshalb werden im Nervenwasser (Rückenmarksflüssigkeit) vermehrt Zellen, die Konzentration der Eiweiße ist gering erhöht.
Die schwerste Form, an der glücklicherweise nur 1 Prozent erkranken, ist die klassische Kinderlähmung, wobei sich die Hirnhautentzündung zunächst bessert (2 bis 12 Tage Fieber- und Beschwerdefreiheit). War das Kind am Tag vorher noch gesund, tritt plötzlich am nächsten Morgen eine schlaffe asymmetrische Lähmung auf, bevorzugt im Obeschenkelbereich mit starken Schmerzen. Sogar Rumpfmuskulatur, Zwischenrippenräume, Zwerchfell, Mastdarm oder Harnblase können betroffen werden, jedoch seltener die Kerne der Hirnnerven. Wenn das der Fall ist, treten Schluckbeschwerden, Atem- oder Kreislaufregulationsprobleme auf. Diese schwere Form kann zum Tode führen.
Bis zu 95 Prozent der Patienten haben aber keine Infektionssymptome, sondern weisen nur bei der Kontrolle entsprechende Antikörper auf. Wenn Symptome zu finden sind, dann innerhalb einer bis zwei Wochen, und zwar Halsschmerzen, Fieber, Mattigkeit, Erbrechen und Durchfall in Form einer abgeschwächten Polyomyelitis, wobei die Zellen im Zentralnervensystem nicht betroffen werden.
Später, wenn sich die Symptome in einem Jahr nicht zurückgebildet haben, treten die Durchblutungs-, Hauternährungsprobleme oder die Lähmungen sowie Gelenkschädigungen in Form eines Dauerschadens auf. Durch eine veränderte Wirbelsäulenstatik kommt es zu Skoliosefehlildungen und Fußdeformitäten. Das Längenwachstum von ehemals erkrankten Extremitäten kann ebenfalls beeinträchtigt sein und zur Invalidität führen. Als Post-Poliomyelitis-Syndrom können Jahre oder Jahrzehnte später noch Muskelschmerzen oder -schwund sowie extreme Müdigkeit auftreten, ebenso Atem- und Schluckprobleme.
Therapiemöglichkeiten und Vorbeugung
Es gibt gegen die Viren keine Medikamente. Bettruhe mit korrekter Lagerung und Pflege sowie physikalische Maßnahmen sind hilfreich. Gegen Schmerzen helfen die entsprechenden Schmerz- und entzündungshemmenden Medikamente. Feuchtwarme Packungen lindern die Beschwerden. Treten Schluckbeschwerden oder Atemprobleme auf, sollte ein Krankenhaus mit Intensivstation zur Behandlung und Überwachung aufgesucht werden. Eine Nachbehandlung erfolgt mit Krankengymnastik und orthopädischen Hilfsmitteln, die bis zu zwei Jahre nach der akuten Infektion die Beweglichkeit noch verbessern können.
Vorbeugend ist die Schluckimpfung mit abgeschwächten Erregern empfehlenswert. Dabei sollte eine Schmier- oder Kontaktinfektion mit dem Stuhl der geimpften Person vermieden werden. Ende der 90er Jahre begann man deshalb mit Spritzen-Impfungen mit einem Totimpfstoff, um die Erregerweitergabe zu vermeiden.
An Polio erkrankte Patienten oder Personen, die diese Viren ausscheiden, werden von allen anderen Personen isoliert. Pflegepersonal muss Handschuhe und Schutzkittel tragen.